Definition: Was ist eine Persönlichkeitsstörung?
Eine Persönlichkeitsstörung (PS) bezeichnet eine anhaltende und tiefgreifende psychische Störung im Denken und Verhalten sowie in der Wahrnehmung und Reaktion eines Menschen. Persönlichkeitsstörungen führen häufig dazu, dass Betroffene und ihr Umfeld erheblich darunter leiden und im Job oder Lebensalltag eingeschränkt sind.
Psychische Störungen machen sich zum Beispiel durch übertrieben impulsive, zwanghafte, instabile, starre oder anders auffällige Ticks, Verhaltensmuster und Wesenszüge bemerkbar. Allerdings sind die Grenzen zwischen einem auffälligen Lebens- oder Persönlichkeitsstil und einer Persönlichkeitsstörung fließend.
3 Arten von Persönlichkeitsstörungen (Cluster)
Je nachdem, welche Symptome und Wesensmerkmale überwiegen, wird heute (nach DSM-5) zwischen drei Arten von Persönlichkeitsstörungen unterschieden:
- A-Störungen: sonderbar, exzentrisch
Hierzu zählen paranoide, schizoide und schizotype Persönlichkeitsstörungen. Sie zeichnen sich durch großes Misstrauen gegenüber anderen, passiv-aggressives Verhalten und wenigen sozialen Kontakten bis hin zur Isolation aus. - B-Störungen: dramatisch, impulsiv
Hierzu gehören die antisoziale, narzisstische und histrionische Persönlichkeitsstörung sowie das Borderline-Syndrom. Das Verhalten ist geprägt von starken Emotionen, egozentrischem und extravertierten Verhalten, das nicht kontrolliert werden kann. In Extremfällen kann es zu selbstschädigendem Verhalten (Ritzen, Suizid) kommen. - C-Störungen: ängstlich, unsicher
Die dritte Gruppe umfasst vermeidende und zwanghafte Störungen. Sie werden dominiert von ständiger Angst: Betroffene fühlen sich oft hilflos und sind von anderen abhängig. Gleichzeitig sind sie extrem empfindsam und können schlecht mit Kritik umgehen.
Häufige Persönlichkeitsstörungen im Überblick
Störung | Symptome | Betroffen | Merkmal |
Narzisstische Störung |
Überpositives Selbstbild, fehlende Empathie | 1-2% | Bedürfnis nach Bewunderung |
Borderline Störung |
Impulsivität, instabile Stimmungen | 2-4% | Gestörtes Selbstbild, Wahnvorstellungen |
Histrionische Störung |
Hohe Emotionalität, Sucht nach Erlebnissen | 2-3% | Gekünsteltes Verhalten |
Schizoide Störung |
Emotionale Kälte, beschränkte Beziehungen | 1% | Emotional arme Ausdrucksweise |
Antisoziale Störung |
Gesetzwidriges Verhalten, Manipulation | 3% Männer 1% Frauen |
Hohe Reizbarkeit |
Statistik: Wie verbreitet sind Persönlichkeitsstörungen?
Die Häufigkeit und Anteile von Persönlichkeitsstörungen in der Bevölkerung sind oft nur geschätzt. Nicht alle Störungen werden ärztlich erfasst, die Dunkelziffer ist hoch.
Schätzungen gehen davon aus, dass in Deutschland rund 11 Prozent der Bevölkerung die Kriterien einer echten Persönlichkeitsstörung erfüllen. Am weitesten verbreitet ist das Borderline-Syndrom, gefolgt von der dissozialen und histrionischen Persönlichkeitsstörung. Seltener sind paranoide oder schizoide Persönlichkeitsstörungen.
Zwischen Männern und Frauen bestehen bei allen Arten kaum auffällige Unterschiede. Einzig die dissoziale (antisoziale) Persönlichkeitsstörung taucht bei Männern (3-7 Prozent) häufiger auf als bei Frauen (1-2 Prozent).
Damit es sich um eine „echte“ Persönlichkeitsstörung handelt, muss diese allerdings konstant auftreten und die soziale Funktionsfähigkeit der Betroffenen erheblich einschränken. Zudem treten viele Persönlichkeitsstörungen nicht isoliert auf und lassen sich daher nicht klar abgrenzen.
Häufigste Art: Borderline Persönlichkeitsstörung
Das Borderline-Syndrom (auch: Borderline-Persönlichkeitsstörung, BPS) ist gekennzeichnet durch extreme Stimmungsschwankungen sowie einer Störung des Selbsterlebens und der eigenen Identität. Betroffene empfinden oft eine innere Leere und bewegen sich zwischen Impulsivität und Instabilität. (siehe: Borderline Symptome, PDF).
Borderline Ursachen sind häufig sexuelle und körperliche Gewalterfahrungen, Vernachlässigung und emotionale Kälte in der Kindheit sowie traumatische Trennungs- oder Verlusterlebnisse. Als Erwachsene neigen Borderliner dann zum Beispiel zu riskantem Verhalten: Rasen auf der Straße, gefährliche Sportarten, häufiges Glücksspiel oder riskante Sexualkontakte sowie Alkohol- und Drogenmissbrauch. Auch durch autoaggressives Verhalten (z.B. Ritzen) versuchen sie das Gefühlschaos vorübergehend zu beruhigen.
Liste der Persönlichkeitsstörungen und Krankheitsbilder
„Persönlichkeitsstörung“ ist ein Oberbegriff. Darunter fallen zahlreiche Arten psychischer Störungen. Nach ICD-10 werden diese nach dominierenden Krankheitsbildern unterteilt. Die folgende Liste zeigt Persönlichkeitsstörungen – unterschieden nach dem markantesten Merkmalen:
Betroffene ordnen sich unter, können keine eigenen Entscheidungen treffen und sind hauptsächlich auf die Hilfe anderer angewiesen. Ebenfalls symptomatisch: Eigene Bedürfnisse werden stark vernachlässigt.
Übertriebener Perfektionismus, fehlende Flexibilität, Kontrollwahn und Rationalität zeichnen diese Störung aus.
Die Betroffenen leiden an ständiger Alertheit und Besorgtheit und Anspannung. Alles, was von der Norm oder Gewohnheit abweicht, stellt für sie eine Bedrohung dar. Besonders in Gesellschaft sind diese Menschen oft zurückhaltend und suchen nur selten den Kontakt zu anderen oder meiden engere Kontakte sogar. Das wird dann unter Umständen als Schüchternheit missverstanden. Dahinter steckt aber eine tiefe Angst und soziale Phobie oder auch Verletzbarkeit.
Auch als „antisoziale Persönlichkeitsstörung“ bezeichnet: Betroffene haben keinerlei Verantwortungsbewusstsein, wenn überhaupt nur wenig Empathie sowie kein Schuldbewusstsein (siehe auch Soziopath, Psychopath).
Hier wird zwischen dem impulsiven Typ und dem Borderline-Typ unterschieden: Der Erste zeigt Symptome einer emotionalen Instabilität und ist kaum in der Lage, Impulse zu kontrollieren. Der Borderline-Typ dagegen neigt zu rücksichtslosem Verhalten, zu Stimmungsschwankungen mit Wutausbrüchen oder zu emotionalen Problemen, auf die er oder sie mit Gewalt (gegen andere oder sich selbst) reagiert.
Übertriebenes und theatralisches Auftreten kennzeichnen diesen Typ. Dahinter steckt ein übermäßiger Wunsch nach ständiger Aufmerksamkeit, der häufig durch Lügen oder Extremhandlungen erreicht werden soll (siehe auch: Profilneurose).
Das Krankheitsbild dieser Persönlichkeitsstörung wird vor allem geprägt durch launenhafte und unvorhersehbare Stimmungen oder Reaktionen – ohne Rücksicht auf mögliche Konsequenzen. Die Betroffenen handeln wie aus dem Affekt und neigen zu emotionalen Ausbrüchen, die sie nicht mehr kontrollieren können. Das kann sich in Form von Streitsucht und dem plötzlichen provozieren eines Konflikts äußern oder durch unbegründete Eifersucht.
Narzissten fallen durch ihr Ausmaß an Selbstüberschätzung und dem Wunsch nach Anerkennung auf, das sie teils durch extreme psychische Manipulation zu erreichen versuchen (siehe: Gaslighting). Betroffene ziehen ihr Selbstwertgefühl aus der Bestätigung durch andere und suchen ständige Bewunderung, widmen aber anderen nur selten Aufmerksamkeit.
Wer an dieser Persönlichkeitsstörung leidet, hat ein ständiges und übermäßiges Misstrauen, beschäftigt sich gerne und viel mit Verschwörungstheorien und hat oft das Gefühl, dass andere ihnen schaden wollen.
Hierbei handelt es sich meist um zurückgezogene Einzelgänger, die kein Bedürfnis nach sozialen Kontakten haben und Emotionen nur schwer zeigen können.
Auch als ängstlich vermeidende Persönlichkeitsstörung bezeichnet. Häufige Symptome sind generelle Unsicherheit, Sorgen und daraus resultierendes Vermeidungsverhalten. Hinzu kommen nicht selten starke Minderwertigkeitsgefühle.
Ursachen: Wie kommt es zu Persönlichkeitsstörungen?
Bis heute weiß die Wissenschaft nicht genau, bei wem eine Persönlichkeitsstörung auftritt und warum. Es gibt aber zumindest ein paar Faktoren, die das Risiko erhöhen. Die häufigsten Ursachen entwickeln sich in der frühen Kindheit – treten aber erst bei Erwachsenen auf. Zu diesen Faktoren gehören:
-
Veranlagung
Es gibt eine genetische Veranlagung für Persönlichkeitsstörungen. Leiden bereits die Eltern daran, haben die Kinder ein erhöhtes Risiko, ebenfalls psychisch krank zu werden. Auch das angeborene Temperament kann die Wahrscheinlichkeit steigern.
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Reizverarbeitung
Laut Neurobiologie werden Reize bei Menschen mit PS anders verarbeitet als bei normalen Menschen. Auf entsprechende Impulse reagieren Betroffene entweder extremer oder schwächer. Diese abweichenden Gehirn-Reaktionen können angeboren sein oder durch Verletzungen und Krankheiten entstehen.
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Erfahrungen
Hinzu kommen oft prägende oder traumatische Erfahrungen in der Kindheit. Wer zum Beispiel misshandelt oder in der Schule gemobbt wurde, kann daraufhin eine Störung entwickeln. Dabei spielt allerdings die Persönlichkeit eine Rolle: Selbstbewusste und resiliente Menschen sind dagegen immuner.
Wie verhalten sich Menschen mit Persönlichkeitsstörung?
Die Liste möglicher Symptome und Merkmale ist lang: Sie reicht von übertriebenem Misstrauen über Rechthaberei und Streitsucht bis hin zu starken Stimmungsschwankungen oder mangelhafter Impulskontrolle und cholerischen Wutausbrüchen.
Zu den unangenehmsten Symptomen gehören vor allem die dissozialen Persönlichkeitsstörungen: Sie sind gekennzeichnet durch egoistisches, empathieloses und rücksichtsloses Verhalten – wie zum Beispiel beim Soziopathen oder Psychopathen (siehe auch: Dunkle Triade).
Derart gestörte Menschen handeln oft verantwortungslos, aggressiv und sind leicht reizbar. Sie empfinden nur wenig Mitgefühl und nutzen ihre Mitmenschen aus oder manipulieren diese – ohne Schuldgefühle.
Persönlichkeitsstörung Test: Wie betroffen bin ich?
Falls Sie sich fragen, ob Sie selbst oder jemand aus Ihrem Umfeld von einer Persönlichkeitsstörung betroffen ist, können Sie diesen kurzen Test absolvieren. Er kann natürlich keine fundierte ärztliche oder psychologische Diagnose ersetzen, sondern dient allein einer ersten Selbsteinschätzung.
Was von den folgenden Aussagen zutrifft, können Sie direkt online abhaken. Bei mehr als 16 Haken, empfehlen wir einen Arzt oder Therapeuten aufzusuchen:
- Ich finde meine Mitmenschen häufig anstrengend.
- Ich habe oft Angst, allein zu sein.
- Ich bin schon viele Male fremdgegangen.
- Oft klammere ich in einer Beziehung.
- Ich bin schnell eifersüchtig.
- Ich neige zu Streitlust.
- Meine Stimmungsschwankungen sind manchmal extrem.
- Ich fühle häufig eine innere Anspannung.
- Ich habe schon mal daran gedacht, mich zu verletzen.
- Ich hatte bereits Selbstmord-Gedanken.
- Als Kind habe ich einen Missbrauch erfahren.
- Meine Eltern haben mich vernachlässigt.
- Ich besitze nur eine geringe Impulskontrolle.
- Ich habe häufiger starke Wutausbrüche.
- Ich leide unter Fressattacken.
- Ich konsumiere Drogen, um meinem Leben zu entfliehen.
- Langeweile kann ich schlecht aushalten.
- Ich rase gerne über die Autobahn.
- Ich betreibe hochriskante Sportarten.
- Ich habe schon öfter Schule, Ausbildung oder Jobs abgebrochen.
- Ich empfinde meinen Körper als zu dick, zu dünn.
- Mein Leben ist leer und sinnlos.
Wie gehe ich mit Betroffenen um?
Der Umgang mit Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung ist schwierig. Erst recht, wenn diese sich für völlig normal und gesund halten. Manch antisoziale Persönlichkeitsstörung kann sogar für das Umfeld gefährlich sein. Betroffene sind derart reizbar und aggressiv, dass sie schon auf kleinste Kritik mit Gewalt reagieren. Was also tun?
Kommt es zu starken Einschränkungen oder körperlicher Bedrohung auf der Arbeit oder in der Beziehung (Drohungen, Anschreien, Übergriffe, etc.), müssen Sie sich zunächst selbst schützen und den Kontakt zu diesen Menschen – soweit möglich – minimieren bzw. meiden sowie Vorgesetzte einschalten. Bei einem Verdacht auf eine Persönlichkeitsstörung können Sie überdies seelische Unterstützung anbieten oder im Falle von Angehörigen einen Facharzt oder Psychotherapeuten um Rat bitten.
Persönlichkeitsstörung Therapien
Aufgrund der unterschiedlichen Persönlichkeitsstörung Arten gibt es keine einheitliche Therapie. Bei einigen Formen ist der Leidensdruck der Angehörigen oder Kollegen deutlich höher als bei anderen. Für eine Behandlung ist aber Einsicht und der Wille zur Veränderung eine Grundvoraussetzung. Häufig entwickeln Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung im Laufe des Lebens weitere psychische Erkrankungen – zum Beispiel eine Depression.
Für die Therapie und ärztliche Behandlung werden oft Antidepressiva eingesetzt. Sie dämpfen jedoch in erster Linie die Symptome. Zur eigentlichen Behandlung verordnen Ärzte häufig eine übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP) oder eine Verhaltenstherapie (dialektisch-behaviorale Therapie, DBT). Auch Strategien zu mehr Achtsamkeit können helfen.
Ist eine Heilung möglich?
Was bei einigen Persönlichkeitsstörungen ebenfalls hilft, ist das Trainieren erwünschter Verhaltensweisen: So wird in einer Gruppentherapie alternatives Verhalten besprochen, gezeigt und eingeübt. Die Patienten lernen durch Beobachtung. Hat die Therapie Erfolg, erleben Betroffene eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität.
Bis heute herrscht unter Ärzten, Psychologen und Forschern aber Uneinigkeit darüber, ob Persönlichkeitsstörungen geheilt werden können. Besonders bei Borderlinern: Durch das schwierige Beziehungsmuster der Patienten wird eine Therapie erschwert. Das Schwanken zwischen Ablehnung und Idealisierung wird auf den Therapeuten übertragen – Folge: Die Patienten brechen die Therapie häufig ab. Oder sie bleibt schwierig und langfristig.
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