Selbstfindung: 7 Tipps + 7 Übungen zum wahren ICH

Wer bin ich? Und was will ich wirklich? Diese Fragen beschäftigen Menschen seit jeher. Selbstfindung ist das Balancieren auf dem schmalen Grat zwischen Individualität und Konformität, zwischen Abgrenzung und Anpassung und damit alles andere als einfach. Wer authentisch und autonom (also geistig unabhängig und unangepasst) bleibt, läuft zugleich Gefahr, anders zu sein als alle anderen. Ein Dilemma – aber ein lösbares: Wie Sie zu sich selbst finden und zugleich mentale Stärke gewinnen…

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Bedeutung: Was ist Selbstfindung?

Hinter der Selbstfindung stehen oft existenzielle Fragen, wie: „Wer bin ich?“ „Was will ich vom Leben?“ „Was sind meine Ziele?“ „Wer will ich werden?“ „Was soll man mal über mich sagen?“ Dabei führt der Begriff „Selbstfindung“ leider etwas in die Irre. Der zweite Teil – „Findung“ – suggeriert, dass Selbstfindung eine Art Ziel oder ein fixer, unveränderbarer Zustand sei, den es zu entdecken und zu erreichen gilt. Falsch.

Tatsächlich beschreibt die Selbstfindung einen andauernden Prozess, den jeder für sich selbst aktiv betreibt und der uns voranbringt. Selbstfindung bedeutet immer auch Selbstgestaltung. Und diese umfasst zahlreiche Lebensbereiche, die davon beeinflusst werden und wiederum unser Selbst und unsere Vorstellungen von uns beeinflussen.

Selbstfindung ist ein Prozess in Phasen

Beim Blick in diverse Zeitgeist-Ratgeber und Psycho-Blogs kann schnell der Eindruck entstehen, Selbstfindung sei ein junges Phänomen der modernen (Arbeits-)Welt. Eine Art heiliger Gral für alle, die nach Selbstverwirklichung, Selbstbestimmung, Selbstoptimierung und Selbstbestätigung suchen und streben. Doch das stimmt nicht.

Ursprünglich stammt der Begriff aus der Entwicklungspsychologie. Eine häufige Definition lautet: „Selbstfindung beschreibt einen in der Pubertät beginnenden Prozess, durch den ein Mensch versucht, sich in seinen Eigenheiten und Zielen zu definieren.“ Dies geschieht vor allem in Abgrenzung zu seinem Umfeld, zur Gesellschaft und ihren Einflüssen: „Ich erfahre, wer ich bin, indem ich definiere, was ich nicht bin oder wie ich nicht sein will.“

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Warum überhaupt Selbstfindung?

Wer sich nicht gefunden hat, hat oft das Gefühl, im falschen Film zu sein. Wir führen dann ein Leben, das so gar nicht zu unseren Vorstellungen davon, zu unseren Bedürfnissen, zu unseren Stärken oder Zielen passt. Womöglich passt nicht einmal der Freundeskreis und Partner dazu. Kurz: Wir sind mit uns selbst nicht im Reinen, leben uns nicht aus und bleiben deshalb unter unseren Potenzialen. Die Erkenntnis verursacht ein ziemlich mieses Gefühl. Gut so! So beginnen die meisten Veränderungsprozesse – mit Leidensdruck. In diesem Fall geht es aber um eine lohnenswerte Entwicklung: der Weg zum wahren inneren Ich.

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7 Tipps + 7 Übungen zur Selbstfindung

Zugegeben, Selbstfindung fällt nicht immer leicht. Und dort, wo Sie sich gerade befinden, sind Sie vermutlich (noch) nicht zufrieden (sonst würden Sie diesen Artikel wahrscheinlich nicht lesen). Um Ihr wahres Ich zu finden, mehr über sich zu erfahren, werden Sie sich bewegen müssen auf eine Art Reise begeben müssen (manchmal sogar buchstäblich). Daran führt kein Weg vorbei. Und das erfordert Mut. Sie verlassen den sicheren Hafen dessen, was Sie (über sich) kennen und entdecken Neuland. Trauen Sie sich trotzdem. Die folgenden Tipps und Schritte können Ihnen dabei enorm helfen und dienen zugleich zur Orientierung:

1. Vergleichen Sie sich nicht mit anderen

Die Menschen vergleichen sich nur zu gern mit anderen und messen sich an ihnen. Für die Selbstfindung ist das kontraproduktiv: Was andere über uns denken, wie sie unser Verhalten bewerten, ist nur ein Echo, eine Art Feedback zu uns selbst. Wer sich und seine eigene Identität festigen und sich selbst besser kennenlernen will, sollte das nicht in Relation zu anderen tun. Das Ergebnis wäre ein Zerrbild. Selbstfindung benötigt ein Loslassen von (angeblichen) Standards und dem Mainstream. Fokussieren Sie dabei ganz auf sich: Ihre Werte und Ihre Bedürfnisse sind bei der Selbstfindung der entscheidende Maßstab.

Übung dazu: Morgenseiten schreiben

Sogenannte Morgenseiten sind eine noch freiere und intuitivere Form des Brainstormings. Dabei lassen Sie Ihren Gedanken jeden Morgen freien Lauf und schreiben alles handschriftlich auf. Ziel ist, über sich selbst, seine Gedankenwelt, Wünsche und Bedürfnisse mehr zu erfahren. Indem Sie die Morgenseiten am Abend reflektieren und analysieren, finden Sie heraus, was Sie beschäftigt und wie Ihr inneres Ich tickt.

2. Stellen Sie sich Ihren Ängsten

Um sich selbst kennenzulernen, müssen manche zunächst die Angst vor möglichen Konsequenzen überwinden. Dabei kann es sich um die Angst vor Gesichtsverlust, vor dem finanziellen Absturz oder anderen schwerwiegenden Ereignissen handeln. Der Bestseller-Autor Tim Ferriss rät sogar: „Stellen Sie sich den Worst-Case nicht nur vor, sondern erzeugen Sie ihn kontrolliert. Die meisten stellen dabei fest, dass er so schlimm gar nicht ist.“

Übung dazu: An die eigene Beerdigung denken

Klingt makaber, kann aber ungemein aufschlussreich sein: Spulen Sie die Zeit gedanklich vor und visualisieren Sie Ihre eigene Beerdigung: Was haben Sie alles erreicht? Was wird von Ihnen bleiben? Sind Sie mit diesem (gelebten) Leben zufrieden? Indem Sie für sich selbst eine Art Nachruf formulieren, erkennen Sie, was Sie in Ihrem Leben ändern müssen, um das Leben zu leben, das in Ihnen steckt und das Sie wirklich wollen.

3. Überwinden Sie Ihre Grenzen

Die sogenannte Komfortzone ist zwar bequem, steht der Selbstfindung jedoch im Wege. Schließlich bewegen Sie sich dort nur innerhalb selbstgesteckter Grenzen. Was alles in ihnen steckt, was sie wirklich wollen, erfahren die wenigsten in diesem gemütlichen Gefängnis. Um Ihre Grenzen austesten, müssen Sie nicht gleich in den australischen Dschungel ziehen und in ein Abenteuer stürzen. Auch im Alltag lassen sich Komfortzonen verlassen. An den neuen Erfahrungen werden Sie nicht nur wachsen, sondern auch ganz neue Facetten an sich erkennen.

Übung dazu: Reichtum imaginieren

Für viele Menschen stellt Geld eine Grenze dar. Sie denken, Sie müssten erst einmal reich werden, bevor Sie ihr Träume verwirklichen können. Also stellen Sie sich der 1-Millionen-Euro-Frage: Was würden Sie tun, wenn Sie heute im Lotto gewinnen? Überwinden Sie diese – scheinbare – Finanzgrenze zunächst gedanklich. Dann finden Sie heraus, ob es sich nicht auch jetzt schon realisieren lässt. Das geht fast immer. Geld spielt gar keine so große Rolle!

4. Bauen Sie Beziehungen

Durch Gespräche und neue Beziehungen können Sie viel über sich selbst lernen. Nicht, indem Sie sich anpassen oder versuchen anderen sympathisch zu sein. Die Lebensentwürfe, Prioritäten und Ziele anderer dienen Ihnen dabei lediglich als Reflexionsanlass – positiv wie negativ. Sie können daran die eigenen Maßstäbe messen, hinterfragen oder abgrenzen. In jedem Fall helfen die Beziehungen, die Selbstfindung zu festigen.

Übung dazu: Alleine auf Reisen gehen

Fahren Sie in den Urlaub – diesmal aber ganz alleine. Vielen macht das Angst. Sie fürchten entweder die Einsamkeit oder Langeweile. Doch genau darin liegt die Herausforderung: Wer alleine reist, muss sich öffnen, auf fremde Menschen zugehen. Das kostet Überwindung, erzeugt aber zugleich mit jedem Mal mehr Selbstsicherheit. Obendrein können daraus wunderbare Freundschaften entstehen.

5. Werden Sie gelassener

Gelassenheit bändigt die Ohnmacht, in die uns Rage versetzt und bringt uns die Handlungskontrolle zurück, die uns blinde Wut und explodierende Emotionen nehmen. Immer dann, wenn wir uns ungerecht behandelt, ausgenutzt, betrogen fühlen, drohen wir die Kontrolle über uns zu verlieren. Gelassenheit bringt sie zurück – und uns uns selbst wieder näher. Sie ist daher ebenfalls ein wichtiger Schritt zur Selbstfindung. Und zu besseren Entscheidungen: Egal, wie dick es auch kommt, ihr Verstand bleibt Herr der Lage – und nicht ihre Gefühle.

Übung dazu: Atmen und meditieren

Stress blockiert. Um gelassener zu werden, empfehlen zahlreiche Ratgeber daher (zurecht) immer wieder Entspannungsübungen und Meditation. Beides nimmt akuten Druck raus, macht den Kopf frei und bringt uns die innere Ruhe zurück. Oft helfen schon einfache Atemübungen wie die „Stern-Atem-Technik“ (oder „4-6-8-Methode“): Während Sie tief einatmen, zählen Sie bis vier. Halten Sie die Luft an und zählen Sie bis sechs. Zuletzt atmen Sie langsam aus und zählen bis acht. Diese Atemübung wiederholen Sie mindestens fünf Mal und merken, wie Sie entspannen.

6. Setzen Sie alle Masken ab

Der Tipp ist der schwerste und fordert Überwindung. Wenn der Selbstfindungsprozess dieses Stadium erreicht hat und Sie wissen, wer Sie sind und was Sie wollen, wäre es sinnlos, weiterhin eine Rolle zu spielen, um anderen zu gefallen. Das sind Sie nicht! Das Wort „Persönlichkeit“ leitet sich zwar von dem lateinisch Begriff „persona“ ab, was übersetzt so viel heißt wie „Theater-Maske“. Doch muss die Selbstfindung nicht zwangsläufig in Selbstdarstellung münden. Zwar sollten Sie andere deswegen auch nicht vor den Kopf stoßen, um jedes Mal Ihre Individualität zu beweisen. Die Welt mag eine Bühne und jeder Mensch darauf ein Darsteller seiner selbst sein. Masken tragen müssen wir aber nicht. Also stehen Sie bewusst zu sich selbst, zu dem, was Sie gefunden haben und noch weiter finden werden.

Übung dazu: NICHT-Liste schreiben

Wer glaubt, Erwartungen erfüllen zu müssen, sollte die folgende Übung ausprobieren: Schreiben Sie auf, wer oder was Sie NICHT sind oder auf keinen Fall werden wollen? Vielleicht gibt es auch Negativ-Beispiele in Ihrem Leben. Machen Sie sich klar, welche Rolle Sie keinesfalls spielen wollen. Und siehe da: In der Abgrenzung erkennen Sie das tatsächliche Sein. Sie sind das ja auch nicht (und werden es auch nicht). Sie sind etwas anderes, eigenes, individuelles: Sie selbst.

7. Verbringen Sie mehr Zeit sich

Wer sich selbst sucht, sollte mehr Zeit mit sich verbringen. Auch wenn sich das am Anfang ungewohnt anfühlt oder gar zu schmerzvollen Erkenntnissen führt. Schließlich werden Sie dabei auch entdecken, wer Sie NICHT sind und was Ihre Schwächen sind. Zudem braucht der innere Dialog innere Ruhe und Einsamkeit. Nicht wenige scheuen dieses Gefühl. Überwinden Sie diese Angst und experimentieren Sie ein wenig mit dem Gefühl. Sie werden dabei viele neue Facetten an sich entdecken. Machen Sie sich bewusst: Zahlreiche große Dichter, Denker und Philosophen haben ebenfalls die Einsamkeit und die Weite der Natur gesucht, um ihren Geist erst zu durchlüften, dann zu beflügeln. Ein Spaziergang wirkt oft schon Wunder.

Übung dazu: Neue Gedanken sähen

Das Problem daran, dass man sich intensiv mit sich selbst beschäftigt, ist: Man schmort oft im eigenen Saft. Deshalb ist es wichtig, den Geist ab und an zu belüften und frische Ideen und Gedanken in den Kopf zu pflanzen. Die Wege dazu sind zahlreich: Bücher schmökern, Gespräche führen, Blogs lesen, Filme schauen, Workshops besuchen, einen Coach engagieren, … Nutzen Sie wenigstens eine Variante davon, um sich nicht im Kreis zu drehen. Je öfter Sie gewohnte Bahnen verlassen, desto flexibler wird Ihr Denken und Handeln. Und die Ideen sprudeln.



Egal für welche Methode, welche Übung Sie sich am Ende entscheiden: Es ist wichtig, dass Sie den ersten Schritt zur Selbstfindung machen. Am besten noch heute. Wie gesagt: Der Weg ist das Ziel. Der Prozess ist nicht immer bequem, aber immer lohnend und befreiend.

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Die 3 Effekte der Selbstfindung

Selbstfindung ist ein Schlüssel zu einem glücklichen und zufriedenen Leben. Nur wer sich selbst kennt, weiß, wer er oder sie (in diesem Moment) ist, was er oder sie wirklich will (im Leben), steht mit beiden Beinen auf festem Grund. Selbstfindung gibt uns Halt und Orientierung. Überdies führen die Phasen im Selbstfindungsprozess zu drei bemerkenswerten Effekten:

1. Wer sich kennt, weiß um individuelle Stärken

Die Suche nach der eigenen Identität und den individuellen Zielen führt zu den eigenen Stärken. Wer sich mit der Selbstfindung intensiv befasst, wird sich daher auch der eigenen Talente und Fähigkeiten bewusster und kann danach selbstbewusster auftreten. Wir müssen uns und anderen dadurch immer weniger vormachen.

2. Wer sich kennt, entwickelt eine Haltung

Der Prozess der Selbstfindung ist zugleich eine Auseinandersetzung mit den eigenen Werten. Diese führen zu einer klaren Haltung und damit zu einem individuellen Profil und Charakter, einer „Persönlichkeit„. Selbstfindung hilft also auch dabei, sich von der Masse abzuheben – nicht nur im Job.

3. Wer sich kennt, wird glücklich

Glücksempfinden ist immer individuell und von dutzenden persönlicher Faktoren abhängig. Wer sich aber selbst nicht kennt, kann nicht glücklich sein, weil er oder sie nicht weiß, was Glück für ihn bedeutet. Durch den Prozess der Selbstfindung lernen Sie Ihre Bedürfnisse kennen und schaffen so die Voraussetzungen für Ihr ganz persönliches Glück.

Wer sich selbst finden will, muss sich nichts aufbürden, sondern etwas ablegen: das Verlangen nach Bestätigung durch andere.

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Selbstfindung gegen gesellschaftliche Erwartungen?

Wer sich auf den Weg der Selbstfindung macht, begibt sich damit auf die Suche nach den eigenen Lebenszielen und Berufszielen. Letztlich entwickeln Sie dabei Ihr ganz individuelles Lebensmodell – das, womit Sie selbst (!) glücklich werden. Wer sich dabei jedoch fernab der ausgetrampelten Pfade und gesellschaftlichen Normen auf Entdeckungsreise begibt, stößt schnell auf Grenzen, Vorbehalte und Widerstand. Kann man ganz man selbst sein – auch außerhalb des Rahmens der gesellschaftlich akzeptieren Normen? Schwer.

Wir sollen zwar Ecken haben, aber bloß keine harten Kanten! Bloß nicht zu sehr rebellieren, nicht zu sehr abweichen. Das macht man doch nicht! Sie merken schon: Selbstfindung kann so nicht funktionieren. Sonst ergeht es Ihnen am Ende wie in diesem Bonmot: „Auf der Suche nach mir selbst bin ich oft an mir vorbeigelaufen, ohne mich zu bemerken.“ Die Suche nach der eigenen Identität und den individuellen Bedürfnissen kann nur erfolgreich sein, wenn Sie externe Erwartungen und Einflüsse bewusst filtern, einordnen – und im Zweifel ignorieren. Keine Angst vor Zurückweisung: Es ist Ihr Leben – nicht das der anderen. Bei der Selbstfindung geht es nur um Sie, nicht um äußere Maßstäbe.

Selbstfindung und Wachstum 4-Zonen-Modell

Selbstfindung widersteht dem Anpassungsdruck

Selbstfindung ist damit auch ein Prozess zur inneren Freiheit, zur geistigen Unabhängigkeit und mentalen Stärke. Andere werden das womöglich akzeptieren oder tolerieren. Doch genau darum geht es: Selbstfindung ist der Reifungsprozess, der uns darüber stehen lässt. Oder anders formuliert: Je älter man wird, desto freier wird man ein Leben zu leben, das andere nicht verstehen. Um sich davon zu emanzipieren, hilft es, sich die folgenden Fragen zu stellen:

  • Wie wichtig ist mir die Person, die meinen Weg in Frage stellt?
  • Welche Intention verfolgt dieser oder jener Ratgeber?
  • Sind dessen Ziele für mich relevant?
  • Deckt sich dessen Weg mit meinen Werten?
  • Will ich so sein – oder: Will ich so werden?
  • Habe ich ein gutes Gefühl dabei?
  • Macht mich das glücklich?

Wir sehen die Welt nicht, wie sie ist; wir sehen die Welt, wie wir sind.


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