Risiko bei Überforderung
Dem Chef oder Vorgesetzten zu sagen, dass man überfordert ist, ist heikel. Das Dilemma: Niemand möchte als Versager dastehen. Gleichzeitig darf Überforderung nicht zum Dauerzustand werden. Dann leidet nicht nur das individuelle Wohlbefinden, sondern auch die Leistung. In beiden Fällen könnte der Eindruck entstehen, dass der Mitarbeiter nicht der Leistungsträger ist, für den ihn der Personaler noch vor Arbeitsantritt gehalten hat.
Überlegungen wie geringe Belastbarkeit oder gar Schlechtleistung stehen plötzlich im Raum. Um eben diesen Eindruck zu vermeiden, sollten Arbeitnehmer sich zu Wort melden. Denn der Arbeitgeber ist verpflichtet, Überlastung zu vermeiden – das kann er allerdings nur, wenn er von Kenntnis von den Missständen hat. Verschweigen Sie das Problem und passieren infolge der Überforderung häufige Fehler, kann der Chef Ihnen eine Abmahnung ausstellen.
Wie dem Chef sagen, dass man überfordert ist?
Wenn Sie überfordert sind, sollten Sie folgendermaßen vorgehen:
- Bestandsaufnahme
Machen Sie zunächst eine Bestandsaufnahme: Seit wann haben Sie das Gefühl, überfordert zu sein? Woran können Sie es festmachen? Liegt es an der Arbeitsmenge oder an gewachsenen Ansprüchen? Sie sollten sowohl den Zeitpunkt beziehungsweise die Dauer als auch die jeweiligen Tätigkeiten oder Situationen benennen können. So ist nachvollziehbar, was sich im Vergleich zu vorher geändert hat. Gleichzeitig erkennen Sie, ob es bestimmte wiederkehrende Muster gibt oder womöglich ein singuläres Ereignis zur Überlastung am Arbeitsplatz beigetragen hat. - Reflexion
Überlegen Sie zunächst, was in Ihrer Macht steht, um diesen Zustand zu ändern. Liegen betriebliche Gründe für die Überforderung vor, können Sie vielleicht Kollegen um Hilfe bitten. Auch eine falsche Priorisierung kann dazu beitragen, dass jemand kurzfristig überfordert ist: Vielleicht bearbeiten Sie zusätzlich Aufgaben, die sich problemlos nach hinten schieben ließen? - Gespräch
Dauert das Problem fort, sollten Sie um ein Mitarbeitergespräch bitten. Ernste Angelegenheiten bitte nie zwischen Tür und Angel und immer persönlich erledigen. Sie sind nun vorbereitet und können anhand bestimmter Faktoren erklären, wieso Sie überfordert sind. Ein Gespräch gibt Ihnen die Chance, Ihr Anliegen in Ruhe vorzutragen und stellt sicher, dass sich der Vorgesetzte Zeit nimmt. Gleichzeitig demonstrieren Sie mit Ihren vorherigen Überlegungen, dass Sie nach Lösungswegen gesucht haben und nicht einfach ein Problem bei ihm abladen.
Tipps für Formulierungen und Herangehensweise
Warum lieber im persönlichen Gespräch? Weil in E-Mail-Konversationen Mimik und Tonfall fehlen. So kommt es schnell zu Missverständnissen. Formulieren können Sie Ihre Bitte um ein Gespräch schriftlich oder persönlich, beispielsweise so:
Frau/Herr XY, ich habe ein Anliegen, das ich gerne im persönlichen Gespräch mit Ihnen klären möchte. Wann passt es Ihnen zeitlich am besten?
Oder:
Frau/Herr XY, mich beschäftigt seit einiger Zeit eine Sache, für die ich bisher keine zufriedenstellende Lösung gefunden habe. Ich möchte gerne Ihre Meinung dazu hören.
Darauf sollten Sie achten:
- Ich-Botschaften
Formulieren Sie Ich-Botschaften und vermeiden Sie Pauschalisierungen. Sätze wie „Immer geben Sie mir Extra-Aufgaben“ sind wenig geeignet, Verständnis für Ihre Lage zu wecken. Stattdessen stehen Schuldzuweisung und Anklage im Vordergrund. - Dokumentation
Sie können Ihre Argumentation damit unterstützen, dass Sie auflisten, worin Ihre Aufgaben (laut Stellenbeschreibung) bestehen und was Sie tatsächlich leisten. Abweichungen und Mehrarbeit können Sie beispielsweise in einer Leistungsmappe dokumentieren. - Perspektivwechsel
Bedenken Sie, dass Ihr Chef selbst viel um die Ohren hat. Womöglich weiß er gar nicht um Ihre andauernde Belastung. Ihr Anliegen ist dann ein wichtiger Hinweis, etwas zu ändern. Ihr Perspektivwechsel hilft, unfaire Vorwürfe zu vermeiden. - Lösungswege
Idealerweise haben Sie einige konstruktive Verbesserungsvorschläge, um etwas an der momentanen Situation zu ändern. Flexible Arbeitszeiten können den Tag zeitweilig entzerren, auch sind Arbeitszeitverkürzung oder Homeoffice gegebenenfalls sinnvoll.
Woran ist erkennbar, dass Sie überfordert sind?
Sowohl aus Arbeitnehmer- als auch Arbeitgeberperspektive lässt sich Überforderung an bestimmten Faktoren erkennen. Einige sind äußerer, andere innerer Natur. Für sich genommen müssen sie noch kein Hinweis sein. Treten sie allerdings häufig und gebündelt auf, sollten Mitarbeiter und Führungskräfte die Situation aufmerksam beobachten:
- Überstunden
Bisher konnten die beziehungsweise der Mitarbeiter die erforderlichen Aufgaben in der zur Verfügung stehenden Zeit erledigen. Seit einer Weile kommt es vermehrt zu Überstunden. - Konzentrationsschwierigkeiten
Andauernde Belastung beschäftigt die Arbeitnehmer in negativer Hinsicht. Stress führt auf Dauer zu Konzentrationsstörungen. - Auftragslage
Im Vergleich zu den Vorjahren ist die Auftragslage messbar angestiegen. Gleichgeblieben ist aber die Personalstärke. - Krankheit
Die Zahl der Krankschreibungen steigt an. Ein erhöhter Krankenstand unter allen Mitarbeitern ist häufig ein Signal und weist auf Überlastung und/oder ein schlechtes Betriebsklima hin.
Gründe für Überforderung
Die Arbeitswelt ist seit Jahren im Wandel. Die Digitalisierung soll einerseits viele Arbeitsvorgänge erleichtern, andererseits trägt sie zum Stress bei: Gab es früher lediglich das Telefon, erhalten Arbeitnehmer heutzutage auch Anfragen via Mail oder Messengern wie Whatsapp.
Die ständige Erreichbarkeit steigert die Erwartungen auf der Absenderseite: Der Adressat soll sich sofort um das Anliegen kümmern. Am besten gestern. Dabei ist klar, dass sich bei mehreren gleichzeitigen Anfragen trotzdem immer nur eine Aufgabe nach der anderen bearbeiten lässt.
Arbeitsverdichtung
Bei gleichbleibender Qualität können Unternehmen im Konkurrenzkampf mit anderen Ländern nur an Personalkosten sparen. In Deutschland sind sie allerdings an strenge Arbeitsvorschriften (Arbeitszeit, Arbeitnehmerrechte) gebunden. Durch Tarifverträge und Mindestlohn sind dem Arbeitgeber Grenzen nach unten gesetzt. Einsparungen sind dann nicht über das Gehalt, sondern die Anzahl der Beschäftigten möglich. Das führt zu einem höheren Arbeitsvolumen für den einzelnen.
Selbstorganisation
Ungeachtet des tatsächlichen Arbeitsaufkommens kann Überforderung ein Resultat schlechter Selbstorganisation sein. Manchen Menschen fällt es schwer, Ablenkung – etwa durch Lärm oder störende Kollegen – zu reduzieren. Oder sie setzen sich keine Deadlines und stehen am Ende der Woche vor zahlreichen Aufgaben, während der Wochenanfang nur schleppend läuft.
Persönlichkeit
Vielleicht liegen die Gründe aber auch ganz woanders: Der eine oder andere kämpft mit Perfektionismus. Die eigenen Ansprüche an vergleichsweise unwichtige Aufgaben sind exorbitant hoch. In diesem Fall benötigen Sie natürlich deutlich mehr Zeit und Energie für Ihre Arbeit als jemand, der in derselben Zeit mit deutlich weniger Aufwand mehrere Aufgaben ebenfalls zufriedenstellend erledigt.
Handlungsalternativen: Das können Sie tun
Liegen objektive und messbare Beweise für Ihre Überforderung vor, sollten Sie aktiv etwas verändern. Anderenfalls kann ein Burnout die nächste Stufe sein. Ein verständiger Chef wird seiner Fürsorgepflicht nachkommen. Erkennt er den Leistungsträger in Ihnen, der Sie sind, steht womöglich eine Beförderung an. Fehlt es Ihnen jedoch an notwendigem Wissen für die Aufgaben, ist ebenso eine Fortbildung denkbar.
Fühlen sich jedoch überfordert, aber das Gespräch verlief erfolglos? Dann haben Sie – abhängig von Ihrer derzeitigen Situation – verschiedene Alternativen:
- Akzeptanz
Haben Sie nur einen befristeten Arbeitsvertrag oder gehen Sie aktuell einem Minijob nach, können Sie sich trösten, dass diese Situation von vorübergehender Dauer sein wird. Das macht es leichter, den Zustand zu akzeptieren. - Delegieren
Je nach Position können Sie sich eine Arbeitserleichterung verschaffen, indem Sie Aufgaben delegieren. Auch nein zu sagen kann helfen – wenn Sie häufig Aufgaben anderer übernehmen und dadurch leichter in Verzug mit den eigenen Aufgaben geraten. - Betriebsrat
Zeigt sich der Vorgesetzte hingegen uneinsichtig, kann unter Umständen der Betriebsrat weiterhelfen. Das wäre der Fall, wenn es beispielsweise nachweislich mehr Arbeit gibt und Ihr Chef Sie als einzigen Mitarbeiter über Gebühr beansprucht. - Jobwechsel
Die Notlösung, wenn alle anderen Alternativen versagen: Sie suchen sich einen neuen Job. Bedenken Sie, nicht bei der kleinsten Schwierigkeit das Handtuch zu werfen. Lassen sich jedoch weder durch Ihr Handeln noch durch das Gespräch Lösungen herbeiführen, ist ein Jobwechsel meist der gesündere Weg.
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