Was ist fluide Intelligenz – einfach erklärt?
Fluide Intelligenz (auch „Mechanik des Geistes“) ist der angeborene IQ. Bedeutet: die kognitive Fähigkeit, Informationen zu verarbeiten, zu analysieren und daraus logische Schlüsse zu ziehen. Laut Definition bildet fluides Denken die wesentliche Grundlage und das Werkzeug des Lernens. Sie beinhaltet sowohl induktives wie deduktives Denken.
In der Psychologie sind fluide und kristalline Intelligenz die Generalfaktoren (G-Faktor) der Intelligenz. Das sogenannte Zwei-Faktoren-Modell geht auf Raymond Cattell zurück. Danach bildet sich aus kristalliner und fluider Intelligenz der Intelligenzquotient (IQ) eines Menschen, der aber im Alter verändern kann.
Wie fluide Intelligenz messen?
Inzwischen gibt es verschiedene Arten, fluide Intelligenz zu messen. Viele IQ-Tests gehen auf beide Faktoren ein, einige berücksichtigen nur eine Komponente der Intelligenz. Der Cattell Culture Fair IQ Test und der Raven Progressive Matrices (RPM) sind vor allem auf die fluide Intelligenz ausgerichtet und erfordern überwiegend abstraktes Denken. Der Wechsler Adult Intelligence Scale (WAIS) wiederum misst die fluide Intelligenz auf einer Leistungsskala und die kristalline Intelligenz auf einer verbalen Skala.
Fluide Intelligenz und kristalline Intelligenz: Der Unterschied?
Lernen, analysieren, umdenken, schlussfolgern – das ist uns größtenteils in die Wiege gelegt. Komplexe Probleme lösen, Wissen übertragen, Querverbindungen ziehen – diese Fähigkeit wächst erst mit den Jahren. Genau das macht den größten Unterschied zwischen fluider und kristalliner Intelligenz aus:
Kristalline Intelligenz 💎
Die kristalline Intelligenz („Pragmatik des Geistes“) basiert vor allem auf dem gesammelten Faktenwissen und dem Erfahrungsschatz eines Menschen. Dazu gehören neben der Allgemeinbildung und Wortschatz auch soziale Kompetenzen und die Menschenkenntnis. Kristallines Denken ist die Fähigkeit, die gesammelte Lebenserfahrung auf verschiedene Bereiche anwenden zu können. Laut dem US-Psychologen John L. Horn nimmt sie im Alter sogar zu („Crystallized-Ability“). Umgangssprachlich wird sie daher auch als Altersweisheit bezeichnet.
Fluide Intelligenz 💦
Die fluide Intelligenz („General-Fluid-Ability“) wiederum ist angeboren und beschreibt die Fähigkeit zu logischem und abstraktem Denken – ungeachtet von erlerntem Wissen oder Erfahrungen. Sie zeigt sich zum Beispiel schon in der Kindheit darin, wie schnell sich ein Mensch in neuen Situationen zurechtfindet und anpasst. Auch die Verarbeitungsgeschwindigkeit von Informationen und das Lerntempo zählen dazu. Man geht heute davon aus, dass die fluide Intelligenz ab einem Alter von 25 Jahren schon wieder abnimmt.
Erst das Zusammenspiel beider Intelligenzarten macht einen Menschen wirklich intelligent. Während die fluide Intelligenz im Alter abnimmt und das Denken und Lernen langsamer werden, bleibt die kristalline Intelligenz und Fähigkeit, komplexe Aufgaben zu lösen, weitgehend konstant oder nimmt im Alter sogar noch zu und ist dadurch in der Lage, die abnehmende fluide Intelligenz auszugleichen oder gar zu überkompensieren.
Die Jugend ist die Zeit, die Weisheit zu lernen. Das Alter ist die Zeit, sie auszuüben.“ (Jean-Jacques Rousseau)
Fluide Intelligenz Beispiel
Bei den fluiden Intelligenz geht es in erster Linie darum, wie abstrakt und flexibel unser Denken funktioniert. Im Zentrum steht dabei das sogenannte Arbeitsgedächtnis. Das ist dafür zuständig, Informationen kurzfristig zu speichern und zu verarbeiten. Wir benutzen das Arbeitsgedächtnis zum Beispiel, wenn wir uns Telefonnummern, Geburtstage oder Namen merken sowie ein Spiel spielen. Je schneller es funktioniert, desto besser für uns und desto intelligenter.
Menschen mit ausgeprägter fluider Intelligenz sprechen wir deshalb umgangssprachlich zahlreiche positive Eigenschaften zu: Sie sind „blitz“-gescheit, können „schnell schalten“ und tun „instinktiv das Richtige.“ Oder sie können Unwichtiges von Wichtigen trennen und sind sofort im Bilde. Besonders der präfrontale Cortex und der Scheitellappen im Gehirn werden mit fluider Intelligenz in Verbindung gebracht. Sie sind in jungen Jahren plastischer. Das erklärt, warum Kinder und Jugendliche eine hohe Verarbeitungsgeschwindigkeit haben und sich neues Wissen besonders schnell aneignen können.
Ist die fluide Intelligenz angeboren?
Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass Intelligenz zu rund 40 Prozent angeboren ist, der größere Teil wird durch das Umfeld beeinflusst oder trainiert. Die Entwicklung der fluiden Intelligenz erreicht nach Cattell allerdings schon im Alter von 22 bis 25 Jahren ihren Höhepunkt. Danach nimmt die Plastizität des Gehirns kontinuierlich ab. Was nicht bedeutet, dass wir dümmer werden, aber zunehmend schwerer lernen und uns neues Wissen aneignen können. Beschleunigt werden diese Abbauprozesse zudem durch äußere Einflüsse, wie zum Beispiel Stress, schlechte Ernährung, viel Alkohol, wenig Sport.
Wie „beweglich“ unser Denken ist, lässt sich unter anderem an folgenden Merkmalen und Fähigkeiten ablesen:
- Schnelle Auffassungsgabe
- Ausgeprägte Analysestärke
- Hohe Problemlösungskompetenz
- Rasches Kombinationsvermögen
- Starkes Abstraktionsdenken
- Logische Schlussfolgerungen
- Gutes Gedächtnis
- Vielseitige Kreativität
Alle diese Fähigkeiten sind gut zu messen und werden regelmäßig im IQ-Test, beim Assessment Center oder Einstellungstest zum Beispiel mithilfe von Brainteasern abgefragt und geprüft.
Wie entwickelt sich fluide Intelligenz im Alter?
Die Schweizer Neuropsychologin Susanne Jaeggi ist überzeugt, dass wir bis ins hohe Alter fluide Intelligenz trainieren können. Der überwiegende Teil der menschlichen Intelligenz – rund 60 Prozent – lasse sich durch entsprechende Übungen ertüchtigen und fit halten. Bestätigt wird dies durch Untersuchungen an der Universität von Michigan. Bei den Versuchen ließen sich fluide Funktionen durch kognitive Trainings des Arbeitsgedächtnisses verbessern – auch bei Erwachsenen im fortgeschrittenen Alter.
Ebenso ist aus der Intelligenzforschung bekannt, dass Probanden IQ-Tests und logische Aufgaben schneller und leichter lösen, je öfter sie diese üben. Dasselbe passiert den regelmäßigen Nutzern von Kreuzworträtseln, Quizzes oder Puzzles. Laut Forschung lassen sich so bis zu 20 Prozent der Intelligenzleistung optimieren. Wer also sein Arbeitsgedächtnis schult, trainiert zugleich die fluide Intelligenz.
Fluide Intelligenz Test
Testen Sie Ihr fluides Denken in unserem kostenlosen Online-Test (inklusive Lösungen). Die folgenden Bilderrätsel stammen aus typischen IQ-Tests und trainieren logisches, abstraktes und räumliches Denken.
Nebenbei schulen Ihr „deduktives Denken“ (aus bekannten Zusammenhängen logische Schlüsse ziehen) sowie das „induktive Denken“ (Aus Beobachtungen Regeln und Wirkungen ableiten). Zur Lösung gelangen Sie im Fluide-Intelligenz-Test indem Sie nach rechts klicken.
Fluide Intelligenz trainieren: 5 Ebenen
Auch wenn bis heute in der Wissenschaft strittig ist, wie groß der Einfluss von Gehirnjogging, Gedächtnistraining oder Kreuzworträtseln auf die Intelligenz ist: Fest steht, der geistige Verfall im Alter lässt sich durch gezieltes Training mindestens verlangsamen. Es kann sogar Krankheiten wie Alzheimer und Demenz vorbeugen.
Indem wir unser Arbeitsgedächtnis trainieren, uns Dinge merken, kombinieren und neu verknüpfen, halten wir unseren Geist beweglich – „flüssig“ sozusagen – und wirken so dem altersbedingten Abbauprozess der fluiden Intelligenz entgegen. Beim Training der fluiden Intelligenz sollten Sie allerdings Methoden und Übungen nutzen, die Ihre grauen Zellen auf fünf Ebenen anregen. Jüngsten Forschungsergebnissen zufolge bleiben Sie so motivierter bei der Sache und erreichen mehr.
Training in 5 Ebenen
- Ebene 1: Praktikabel
Die gewählte Trainingsmethode sollte sich einfach und bequem in den Alltag integrieren lassen. Je geringer der Aufwand, desto leichter fällt es, durchzuhalten. Gut geeignet sind zum Beispiel Smartphone-Apps, die Sie in Pausen oder unterwegs nutzen können. - Ebene 2: Abwechslungsreich
Vermeiden Sie Langeweile und Routine. Langfristige Effekte zeigen sich nur, wenn Sie Ihren grauen Zellen regelmäßig abwechslungsreiche Aufgaben zumuten. Dieses Jahr eine neue Fremdsprache, nächstes Jahr eine Reise. Hauptsache, Sie bleiben abenteuerlustig! - Ebene 3: Individuell
Die Übungen sollten Ihrem jeweiligen Niveau entsprechen. Das größte Wachstum – das weiß man aus der Flow-Theorie – erzielen wir im Bereich minimaler Überforderung. - Ebene 4: Zielgerichtet
Bei aller Abwechslung sollten Sie das Lernziel nicht aus den Augen verlieren: Nur wer Ziele klar benennt, erreicht auch Resultate. Die kleinen Erfolgserlebnisse motivieren zusätzlich. - Ebene 5: Ganzheitlich
Fluide Intelligenz umfasst nicht nur einen Intelligenz-Bereich. Sie ist ganzheitlich und sollte auch so trainiert werden: umfassend, facettenreich, generell. Vermeiden Sie also eine Spezialisierung.
Intelligenz-Training: 6 einfache Übungen
Als besonders effektiv haben sich Übungen erwiesen, die vielseitig auditive, visuell-räumliche und verbale Wahrnehmung und Fähigkeiten trainieren. Zum Beispiel diese…
1. Aktiv bleiben
Um den Abbau der neuronalen Verbindungen im Alter zu verlangsamen oder (zeitweise) zu stoppen, müssen Sie lediglich dafür sorgen, dass sich ständig neue Synapsen bilden. Das passiert beim Lernen einer neuen Sprache ebenso wie beim Lesen von Romanen, beim Rätseln oder Kopfrechnen. Indem Sie geistig aktiv bleiben, trainieren Sie permanent die fluiden Fähigkeiten. Auch Hobbys oder Ehrenämter helfen und schulen zudem die soziale Kompetenz.
2. Abwechslung suchen
Suchen Sie sich nicht nur Knobelaufgaben, die Spaß machen. Um die geistige Fitness und fluide Intelligenz zu trainieren, braucht es Diversität und Flexibilität. Heute ein bisschen Gehirnjogging, morgen Sudoku-Rätsel, am Wochenende Zerstreuung beim Tagträumen und Spazieren. Indem Sie möglichst unterschiedliche Aufgaben abwechslungsreich kombinieren, stumpfen Sie nicht ab. Wer nur einseitig sein Zahlenverständnis trainiert, rechnet vielleicht besser, erweitert aber nicht seinen Wortschatz. Wichtig ist, dass Sie Ihre Merkfähigkeit genauso üben wie die Konzentrationsfähigkeit oder das Sprachverständnis.
3. Gesundheit fördern
Es stimmt: Ein gesunder Geist braucht einen gesunden Körper. Intelligente Menschen verhalten sich rücksichtsvoller und gesünder ihrem Körper gegenüber. Sie trinken weniger Alkohol, rauchen seltener, sind sportlich aktiver und achten stärker auf eine ausgewogene Ernährung. Das funktioniert auch andersherum: Wollen Sie Ihre fluide Intelligenz trainieren, achten Sie auf Ihren Körper! Drei Mal 20 Minuten leichter Ausdauersport in der Woche reichen schon (sind aber auch ein Minimum). Bewegung hat nachweislich einen positiven Einfluss auf die Gehirntätigkeiten. Das Gehirn wird besser durchblutet und mit Sauerstoff versorgt, Stress abgebaut, Glückshormone ausgeschüttet. Auch hier: Je abwechslungsreicher, desto besser. Tanzen lernen, macht zum Beispiel richtig intelligent!
4. Sprache lernen
Wer eine neue Sprache lernt, versorgt sein Gehirn mit substanziellem Input: Neue grammatikalische Strukturen müssen verstanden und mit der Muttersprache verglichen werden: Wo gibt es Gemeinsamkeiten, wo Unterschiede? Dieser Lernprozess begünstigt nicht nur die allgemeine Lernfähigkeit und Problemlösung in anderen Bereichen. Sprache formt zugleich Ihr Bewusstsein: Je mehr Vokabeln Sie kennen (egal, in welcher Sprache), desto differenzierter können Sie denken. Was wir nicht in Worte fassen können, können wir nicht denken!
5. Dosis steigern
Was auch immer Sie trainieren: Mit dem Gehirn ist es wie mit einem Muskel – wird er nicht gefordert, erschlafft er. Heißt: Am Anfang Ihres Trainings dürfen Sie sich an Ihrem persönlichen Niveau orientieren. Mit der Zeit aber sollten Sie der Oberstube mehr zumuten und noch ein paar „Gewichte“ auflegen. Natürlich nur langsam und dosiert. Permanente Unterforderung ist für die fluide Intelligenz aber weitaus schädlicher als gelegentliche Überforderung.
6. Ruhephasen einhalten
Immer nur funktionieren, funktioniert nicht. Schon gar nicht mit zunehmendem Alter. Achten Sie beim Training darauf, den Alltag nicht zu überfrachten. Übungen sind gut – Entspannung und Erholung müssen aber genauso sein. Ihr Gehirn ist zu jeder Zeit aktiv. Selbst in scheinbaren Ruhephasen. Diese brauchen Sie aber, um neu Gelerntes vom Kurz- in den Langzeitspeicher zu schieben. Forscher vermuten, dass genau diese Ruhephasen angesichts Smartphone und sozialer Medien zu kurz kommen. Wer seine fluide Intelligenz trainieren will, sollte daher bewusst und buchstäblich abschalten, um zu innerer Ruhe finden.
Das Wichtigste ist: Behalten Sie den Spaß am Lernen!
Tatsächlich finden die geschilderten Abbauprozesse des Geistes nur langsam statt. Nur weil Sie plötzlich 40, 50 oder 60 geworden sind, werden sie nicht verdummen. Die Denkleistung wächst mit ihren Aufgaben. Sie haben es also immer ein gutes Stück selbst in der Hand, Ihre fluide Intelligenz in Bewegung und „flüssig“ zu halten.
Was andere Leser dazu gelesen haben
- Scanner-Persönlichkeiten: Hochbegabung ist Fluch und Segen zugleich
- Emotionale Intelligenz: Test + Wie hohen EQ trainieren?
- 10 Probleme, die extrem intelligente Menschen haben
- Flynn-Effekt: Jung bedeutet intelligent?
- Diese 13 Erfolgsfaktoren sind wichtiger als der IQ